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Nur bei Gott wird mein Leben still

 

Das könnte ich gut verstehen, wenn es eine New Yorkerin sagt, die sich zur Erholung in ein ländliches Kloster zurückgezogen hat. Frei von dem täglich um sie brausenden Lärm kehrt innerhalb der dicken Kirchenmauern Ruhe ein.

 

Tatsächlich stammt diese Aussage aus einer Zeit, die keine solchen Großstädte kannte. Sie ist ein paar Jahrtausende alt. Selbst wenn die betende Person des 62. Psalms in Jerusalam zuhause war, gab es dort nachts höchstens Schnarchgeräusche zu erlauschen. Wer es noch leiser brauchte, erreichte problemlos die einsamen Weiten der Wüste.

 

Nur bei Gott wird mein Leben still.“ Mein Leben, meine Seele. Damit ist etwas gemeint, das wenig mit den Ohren zu tun hat.

 

Es geht um die vielen Stimmen in mir: dringliche Fragen, die ich nicht gelöst bekomme, melden sich in meinem Kopf. Ängstliche Töne. Freude. Panik. Wut. Aufgaben, die mir über den Kopf steigen. Zweifel. Albernheit. Liedfetzen. Hunger. Müdigkeit...

 

Bei Harry Potter gibt es ein Denkarium, in das Dumbledore Gedanken entlässt, wenn sie ihm einfach zu viel werden. Im Psalm geht das anders.

 

Mir einen Platz für mich allein nehmen. Augen zu. Ein- und ausatmen. Und dann nur dasein vor Gott. Wissen, er ist da, bei mir. Ich bin angenommen, so wie ich in dieser Sekunde bin. Mit allem ungelösten. Ich muss jetzt nichts tun. Ich kann geniessen: Du bist da. Du freust Dich, dass ich da bin. Sonst nichts.

 

Von Gott kommt meine Befreiung!“ heißt es später. „Bei ihm liegt meine Freiheit und meine Würde, Fels meiner Macht, meine Zuflucht bei Gott. Vertraut auf ihn zu jeder Zeit, Leute!“

 

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